Mieterschutz in Österreich von 1917 bis heute
Mieterschutzbestimmungen haben in Österreich eine lange Tradition.
Ohne wirksame Mieterschutzregelungen wäre der wirtschaftliche Aufschwung Österreichs wohl kaum denkbar gewesen.
Im Folgenden eine Geschichte der österreichischen Mieterschutzbestimmungen, die vor etwas mehr als 100 Jahren ihren Ausgang nahm.:
vor 1917 gab es keine nennenswerten Mieterschutzbestimmungen. Es galten ausschließlich allgemeine zivilrechtliche Regelungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) aus dem Jahr 1812.
Erst im Jahr 1916 wurden mit einer Teilnovelle des ABGB die ersten zaghaften zwingende Vorschriften im Bestandrecht (§ 1096 Abs 1 letzter Satz und § 1117 ABGB letzter Satz) eingeführt.
In den Jahren 1917 und 1918 wendete sich das Blatt, die Wohnungsnot großer Bevölkerungsschichten, die der Willkür von Vermietern ausgesetzt waren, paarte sich mit einer schwindenden Kriegsmoral. Die k.u.k. Regierung sah sich erstmals veranlasst Schutzbestimmungen für die im allgemeinen rechtlosen MieterInnen zu erlassen.
Dies erfolgte in vier Mieterschutzverordnungen RGBl Nr 34/1917, RGBl 323/1917, RGBL Nr 21/1918, RGBL Nr 21/1918
Entgegen einer weitverbreitenden Ansicht beinhalten diese Verordnungen keine Bestimmungen zum „Friedenszins“ oder „Friedenskronenzins“, sondern beinhalteten im großteils befristete Mieterhöhungsverbote und Kündigungsbeschränkungen. Anders als oft dargestellt, wurde der sogenannte „Friedenszins“ erst lange nach dem Krieg (1922) als Berechnungsgrundlage (im Sinne einer 150 fachen Erhöhung des Mietniveaus von 1914) eingeführt. Bereits 1968 wurde der Friedenszins für Neuvermietungen weitgehend abgeschafft. Ab 1982 konnten auch alte Verträge im Mietzins angehoben werden.
1922
Mit dem 1922 erfolgten Inkrafttreten des Mietengesetzes (MG), das eine erstmalige Kodizifizierung eines umfangreichen Mieterschutzes auf bundesgesetzlicher Ebene darstellte, wurde ein weltweit führender Maßstab für eine Sozialgesetzgebung geschaffen.
Das Mietengesetz beinhaltete Mietzinsbeschränkungen im Rahmen einer Vergleichsmiete zu den Gegebenheiten zum 1.8.1914 (Friedenszins), einen erstmals weitreichender gesetzlicher Kündigungsschutz (§ 22 MG), die Einführung der Weitergabemöglichkeit der Mietwohnung im Angehörigenkreis, die Möglichkeit der „Vererbung“ einer Mietwohnung (Eintritt von Todes wegen) und die Zurückdrängung der Befristungsmöglichkeit des ABGB
1929
Mit der Bundesverfassungsnovelle 1929 wurde im Notverordnungsrecht des Bundespräsidenten, festgehalten, dass dieses nicht für Mieterschutzangelegenheiten anwendbar ist.
Im Zuge der Annexion Österreichs durch das Deutsche Reich erfolgte im Jahr 1938 eine Angleichung des österreichischen Mietrechts an das im deutschen Reich geltende System staatlicher Preisbildung und Preisüberwachung.
1939
Ein beschämendes Kapitel der Mietgesetzgebung:
Es erfolgte die Beseitigung des Kündigungsschutzes jüdischer Mieter gegenüber „arischen“ Vermietern. Obwohl die Beseitigung des Kündigungsschutzes keine gesetzliche Verpflichtung des Vermieters zur Kündigung jüdischer Mieter begründete, kam es zwischen März 1938 und Mai 1939 zu rund 44.000 „Arisierungen“ von Mietverhältnissen.
Im Jahr 1940 wurde das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz erlassen. Dieses stellte die erste gesetzliche Regelung für genossenschaftlicher Nutzungsverträge dar. Nach dem Krieg wurde dieses Gesetz vom österreichischen Staat übernommen..
1946
Novellierung des Mietengesetzes. Ermöglichung eines Neuvermietungszuschlags, mit Ausnahme jener Mieter, die ihre Wohnräume durch Krieg, rassische oder politische Gründe verloren hatten.
1948
Wohnhauswiederaufbaugesetz: Mit „Fondsmitteln“ wieder errichtete (kriegszerstörte) Objekte wurden den Bestimmungen des Mietengesetzes unterworfen, bzw. der Mietzinsberechnung des Wohnhauswiederaufbaugesetzes.
Achtung: in der Folge wurden zum Wohnhauswiederaufbaugesetz drei Novellen (Grundfassung 1948, Novellen: 1950, 1954, 1967) erlassen, die hinsichtlich der Anwendbarkeit sehr unterschiedlich waren. Dies Novellen können für die Mietzinsbildung der Gegenwart von Bedeutung sein
1949 (Gründungsjahr des Mieterschutzverbandes!)
Preisregelungsgesetz: Das sich die Zinsbestimmungen des Mietengesetzes im wesentlichen auf „Altbauten“ bezogen, waren Zinsschutzbestimmungen für Objekte notwendig, die nicht dem MG unterlagen
1954
Zinsstoppgesetz – ein als Provisorium gedachtes Preisregelungsgesetz, das aufgrund einer kurz zuvor ergangenen Entscheidung des VfGH notwendig wurde. Der VfGH hatte zuvor eine „Verordnung des Reichsstatthalters vom 9. März 1939“ aufgehoben, die Richtlinien für die Preisbildung festgesetzt hatte. Dieses ursprünglich nur als Übergangsregelung gedachte Gesetz blieb nach diversen Adaptierungen bis 31.12.1981 in Kraft. Es hatte Bedeutung für Mietverhältnisse die nicht dem Mietengesetz unterlagen.
1968
Inkrafttreten einer Novelle des Mietengesetzes (Mietrechtsänderungsgesetz 1967).
Hinsichtlich des Mietzinses erfolgte für Neuvermietungen eine weitgehende Deregulierung im Sinne einer Erweiterung der Möglichkeiten für freie Mietzinsvereinbarungen für Mietverträge, die ab 1968 geschlossen wurden. Dies stellte für Neuvermietungen die Defacto-Abschaffung des „Friedenszinses“ dar.
1974
Novelle des Mietengesetzes. Wieder stärkere Regulierung der Mieten bei Substandardwohnungen im Sinne des Stadterneurungsgesetzes (kein Wasser oder kein WC im Wohnungsverband)
1979
Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz 1979: Weitgehende rechtliche Angleichung des genossenschaftlichen Nutzungsvertrages an private Mietverträge unter Berücksichtigung des Kostendeckungsprinzips.
1979
Mit dem Inkrafttreten des Konsumentenschutzgesetzes wurde die Grundlage für eine weitere Säule des Mieterschutzes geschaffen. Paradoxerweise schlug sich dies erst in Urteilen ab 2006 nieder. Ein Musterbeispiel dafür, dass bestehende gesetzliche Regelungen oft übersehene mietrechtliche Aspekte aufweisen.
1982
Mit der Einführung des Mietrechtsgesetzes (MRG) wurden zahlreiche Kündigungsschutzbestimmungen des Mietengesetzes übernommen. Strenge Mietzinsobergrenzen anhand kategorisierter Wohnungen wurden (nach 15 Jahren ohne Mietzinsobergrenzen) wieder geschaffen. Einführung von Erhaltungsbeiträgen für Altverträge.
Einführung eines weitreichenden Ablöseverbots (§ 27 MRG)
1994
Novelle des MRG (3.WÄG): Bei Neuvermietung anstatt des Kategoriemietzinssystems, ab nun das sogenannte Richtwertsystem
Nach 1994 gab es zahlreiche Änderungen und vor allem Liberalisierungen im Befristungswesen. Unter den negativen Auswirkungen leiden MieterInnen aktuell mehr denn je. Mietverträge können aktuell beliebig befristet werden (sofern eine Mindestzeit von drei Jahren eingehalten wird).